Prison Story | Privat

Kyle
Regen peitschte gegen die Scheiben des Busses. Wir fuhren schon seit eine Stunde, doch es war kein Ende der Fahrt in Sicht. Ich starrte nach draußen und mein Atem beschlug das Glas. Neben mir, eine Broschüre, die ich noch nicht angerührt hatte. Ich würde noch genug Zeit haben sie zu lesen, wenn wir ankamen.
Außer mir waren noch ungefähr zwölf weitere Männer im Bus. Einige wirkten als wären sie nicht zum ersten Mal auf dem Weg ins Gefängnis, doch es gab auch ein paar wenige die nervös und ängstlich in ihren Sitzen kauerten und sich so klein wie möglich machten.
Ich hatte schon einiges über das Leben in einem Gefängnis gehört, doch konnte ich auch nur darüber spekulieren wie es wirklich war.
Nicht auffallen.  Stark bleiben. Das war mein Plan.
Man darf niemanden Vertrauen, denn Menschen waren unberechenbar. Der einzige Mensch auf den man sich verlassen kann ist man selbst. Wer sich auf andere stützt ist schwach.
Diese wenigen Regeln hatte ich schon von klein auf gelernt.
Ich hatte sie erst einmal gebrochen, und das würde mir nicht noch mal passieren!
Plötzlich hielt der Bus. Wir standen vor einer ca. fünf Meter großen Mauer, die mit Stacheldraht versehen war.  Die großen Stahltore vor uns öffneten sich und als wir hindurch fuhren verfolgten uns die Blicke einiger Kameras.
Wenig später standen wir alle in Reih und Glied vor einigen grimmig dreinschauenden Gefängniswärtern. Ich konnte mir auch etwas besseres Vorstellen als hier zu sein!
Wir wurden in verschiedene Gruppen untergliedert, je nach dem in welchen Gefängnistrakt man kam. Zusammen mit zwei weiteren Männern folgte ich einem Wärter der uns zum Schwerverbrechertrakt bringen sollte. Das Gelände war wie leer gefegt, doch als wir eines der grauen Gebäude betraten hörten wir schon die ersten Rufe einiger Insassen.
„Hey Scott, guck mal Frischfleisch!“ rief einer der Männer einem großen, muskulösen Typen zu der uns darauf hin schief angrinste. Ich bemühte mich meinen Blick am Boden zu halten und lief zügig weiter.
„Innerhalb eures Traktes dürft ihr euch frei bewegen. Zweiundzwanzig Uhr müsst ihr wieder in euren Zellen sein, dann schließen die Türen automatisch. 8.00 bis 9.00 gibt es Frühstück, 12. bis 13.00 Mittagessen und 19.00 bis 20.00 Abendbrot. Lest eure Broschüre, dort stehen alle Regeln.“ Ratterte unser Wärter herunter ohne uns an zu sehen.
Wir liefen einen weißen Gang entlang der von einigen Stahltüren unterbrochen wurde.
„Zelle 22, Kyle Evans.“ Las er schließlich vor. „Ja, Sir.“ Antwortete ich.  Er schob die Tür zur Seite und warf einen kurzen Blick hinein. Dann musterte er mich prüfend, bevor er sagte: „Von jetzt an bist du auf dich allein gestellt.“ Ich nickte und sah den andern beiden einen kurzen Moment hinterher, dann drehte ich mich um und betrat den kleinen, kargen Raum. Es gab ein Doppelstockbett aus Metall, ein Waschbecken, sowie eine Toilette und jeweils ein kleines Regal für jeden Bewohner. Unter einem kleinen vergitterten Fenster stand außerdem ein wackliger Holztisch.
Mein Mitbewohner schien gerade außer Haus zu sein…
Ich setzte mich auf das untere der beiden Betten, auf dem schon die wichtigsten Sachen für mich gelegt wurden waren. Ich zog mir trockene Sachen an und räumte den Rest in das leere Regal.
Ich hatte noch knapp zwei Stunden bis zum Abendessen, in denen ich mir die Regeln dieses Gefängnisses aufs Genauste einprägen sollte.
Ich schnappte mir also die kleine Broschüre und begann zu lesen.
Kaum eine halbe Stunde war vergangen als die Tür ruckartig aufgerissen wurde und ein hochgewachsener Mann mit dunkeln Haaren das Zimmer betrat. Die Tür fiel schwer hinter ihm ins Schloss.

Derek

Ein kleines Klacken ertönte und ich öffnete übermüdet meine Augen. War es schon wieder Morgen? Aus dem kleinen Fester konnte ich den mit wolkenbedeckten Himmel sehen, der meine Laune nicht gerade steigen ließ. Trotzdem konnte ich mich freuen, denn die Betten hier waren einfach nur der absolute Schrecken. Nichts war ungemütlicher als Gefängnisbetten.
„Hey Connor, aufwachen!“ hörte ich die raue Stimme eines Wächters. Genervt schlug ich die Bettdecke beiseite und stand auf.

Der Essenssaal war wie immer total überfüllt. Eine Stunde konnte man hier essen, in einem viel zu kleinen Raum mit einfach viel zu vielen Häftlingen. Wer hatte sich dieses Prinzip eigentlich ausgedacht?
Ich hielt mit halbem Auge Ausschau nach meinen besten Kumpels die ich hier gefunden hatte, mit der anderen Hälfte nahm ich mein Essen entgegen. Das Essen war hier zugegeben gar nicht mal so schlecht.
„Hey Alter, beeil dich mal!“ rief Dylan, ein breitschultriger Kerl mit dunklem dichtem Haar. Er saß wegen Drogenmissbrauch, war im Herzen aber ein echt guter Kerl. „Jaja, nicht so übermütig.“ Grinste ich und setzte mich neben ihn. An unserem Tisch saßen noch zwei andere aus Dylan’s Gruppe. Ich kannte sie nur flüchtig vom Sehen, so lange saßen sie noch nicht.

Der Tag verlief eigentlich wie jeder andere. Ich hing etwas mit Dylan ab, hatte etwas Sport gemacht und nachgedacht. Über Gott und die Welt. Ziemlich einseitiges Leben, jedoch war es allemal besser als auf der Straße.
Genervt von einer kleinen Prügelei die sich auf dem Gang abgespielt hatte, betrat ich meine Zelle. Dort saß ein Kerl auf meinem Bett. Er war groß, sah muskulös aus und hatte genauso wie Dylan dunkle Haare. Alles in allem ziemlich heiß. Aber was machte er in meiner Zelle? Wie ein Schwerverbrecher sah er nicht gerade aus.
Ich hatte zwar mitbekommen das ein kleiner Stapel mit Handtuch und Waschzeug heute morgen auf dem unteren Bett lagen, aber ich konnte ja nicht ahnen das der Neue ausgerechnet jetzt kam.
„Und du bist wer?“ fragte ich stirnrunzelnd und lies mich einfach neben ihn auf mein Bett fallen.

Kyle
Ich legte das Buch beiseite und beobachtete den Typen. Er sah nicht sonderlich schlecht aus und durch sein dunkles T-shirt zeichneten sich seine Muskeln ab. Ich sollte ihn mir eindeutig nicht zum Feind machen. Ob er hier sehr bekannt war? Jemand wie er fiel hier bestimmt auf.
Hoffentlich wurde ich nirgendwo mit hinein gezogen. Solange mich niemand beachtete war alles gut.
"Kyle." antwortete ich eintönig, nachdem einige Sekunden verstrichen waren.
Ich versuchte ihn immernoch zu analysieren.. Ich war gut darin Leute einzuschätzen, nur mit Gefühlen konnte ich nicht sonderlich gut umgehen.

Derek

Kyle also. Kein schlechter Name aber auch Nichts besonderes. Mich würde brennend interessieren, was der Kerl angestellt hatte. Er sah verdammt jung aus, allerdings wollte ich ihn jetzt auch nicht ausquetschen. Die nächsten Jahre musste ich mit ihm verbringen, da würde ich sicherlich schon in Erfahrung bringen was er angestellt hatte.
Jedoch wurde es mir nach einem Moment zu dumm schweigend neben ihm zu sitzen, weshalb ich mich auf das obere Bett zog. Dort lagen schon ein paar Zeitschriften bereit , die mir den Alltag hier etwas erleichterten.
"Willst du für heute Abend auch eine?" Fragte ich und warf ein Exemplar nach unten. Auf dem Cover war eine knapp begleitete Blondine zu sehen.

Kyle

Skeptisch blickte ich auf das Magazin, das neben das Bett auf den Boden gefallen war. Ich hob es auf und legte es neben mich.
"Danke."
Ich hatte nicht wirklich vor in das Heft hinein zu blicken, für so etwas interessierte ich mich nicht im geringsten. Allgemein musste ich auf andere ziemlich langweilig und uninteressant wirken. Ich ging nicht auf Partys, trank nicht, rauchte nicht und konnte auch nichts mit Autos anfangen.
Meistens hing ich einfach nur meinen Gedanken nach...
Zum gefühlten hundertsten Mal versuchte ich mich durch die Broschüre zu quälen, doch die Worte gelangten nicht zu mir durch. Stattdessen musste ich an mein weiteres Vorgehen denken. Die Anspannung der letzten Tage wollte einfach nicht von mir abfallen.
Schließlich erklang ein lautes durchdringendes Klingeln, das die Abendbrotzeit ankündigte.
Ich erwartete nicht, dass mein Zellengenosse zusammen mit mir essen würde, trotzdem zuckte mein Blick zu ihm hoch als ich mich hochgerappet hatte.

Derek

Pünktlich wie immer klingelte es zur Abendbrotzeit. "Na endlich." nuschelte ich und schwang mich aus dem Bett. Die Portionen waren hier ziemlich... übersichtlich. So hatte ich meistens schon nach ein paar Stunden wieder Hunger. Manchmal gab es auch ein paar Prügeleien. So wurde den Neuen das Essen abgeknüpft was ich ziemlich unnötig fand.
"Na? Aufgeregt?" fragte ich belustigt nach als ich Kyls Blick sah. Er würde die anderen jetzt zum ersten Mal sehen. Mal schauen wie er darauf reagieren würde.
Die Gitter wurden hochgefahren und die Häftlinge gingen alle Richtung Speisesaal der immer völlig überfüllt war.
"Komm mit, sonst verlierst du dich unter den anderen." meinte ich dann und drängte Kyle in das Getümmel das sich auf dem Flur gebildet hatte. Ich lief hinter ihm sodass ich ihn nicht aus den Augen verlieren konnte.