Die Verblendung

"Nein. Natürlich nicht. Ich nehme die Luftmatratze." meinte Julian bestimmt. Er wollte nicht in Thomas Bett schlafen. Nur weil er der Gast war der um 11 Uhr nachts auftauchte.
"Sorry. Wenn es nicht zu laut ist, gerne. Hast du noch meine Klamotten von letztens?" fragte er Thomas.

"Hättest du schneller reagieren müssen, jetzt bin ich ja schon drauf," meinte Thomas, da er mit so etwas schon gerechnet hatte.
"Und dein Zeug von letztens steht unterm Schreibtisch in der tüte da," er wies mit dem Daumen in die richtung.
"Ist auch alles gewaschen und gebügelt. Und keine Sorge, so laut is die Dusche ja auch nicht. Handtücher sind in dem schrank neben dem Klo, paß aber auf die Schranktür auf, die hakt manchmal ein bisschen."

"Aha." Julian grinste dann doch leicht. "Okay wenn du drauf besteht. Danke.", flüsterte er und griff sich die Tüte. Damit verschwand er auf dem Bad. Er war froh dass er duschen konnte und sogar frische Klamotten hatte. Er band sich die Haare zusammen, als er fertig war und zog sich an. Dann kam er zurück zu Thomas aufs Zimmer. Vorsichtig schloss er die Tür hinter sich.
"Sorry dass das so spontan war jetzt. Hat länger gedauert mit Chris. Er hat angefangen zu monologisieren." Julian lächelte und machte es sich auf dem Bett bequem.
"Es steht schlecht um Sora?", fragte er dann noch leiser.

"Keine ahnung, er sieht nicht mal aus, als ob er was abgekriegt hat, ist nur ungefähr so weiß wie n Bettlaken und hängt an ganz vielen Geräten. Was die genau machen, weiß ich nicht, bin kein Mediziner," Thomas wollte da auch nicht extra nachfragen, es wäre vielleicht auch komisch rübergekommen.
"Hab keine Ahnung, ob es gut ist, daß er die ganze Zeit schläft, vielleicht ist er auch im Koma oder so was," in dieser Hinsicht war er recht ratlos.
"Aber Jack kommt sicher schnell wieder auf die Beine, der hats rexht gut überstanden."

Julian seufzte leise. "Ach scheiße.", murmelte er. "Das hört sich schlecht an." er biss sich auf die Unterlippe. Das machte ihn nervös. Hoffentlich würde Sora es überstehen. Wie hatte das passieren können? Wer hatte das getan?
"Können wir ihn morgen besuchen. Jack natürlich auch. Also gut dass es ihm zumindest den Umständen entsprechend gut geht." es hätte auch noch schlimmer sein können. Julian kramte das Lavendelkissen aus seinem Rucksack hervor und zeigte es kurz Thomas, ehe er es unter das Kissen legte.
"Danke nochmal für alles, Mann. Dass ich hier pennen darf. Ich fühle mich wohler bei euch als Zuhause.", murmelte er leise, ehe er sich in der Decke einrollte. Er mochte es bei Thomas zu sein. Es war warm hier und alle liebten sich. Es war mehr als klar für Julian und das erinnerte ihn an seine Familie.

"Ich hab Jack und dem Boss schon Bescheid gegeben, daß wir morgen noch nal kommen und sie haben beide nix dagegen," Sora konnte es zwar gerade nicht ausdrücken, aber das nahm Thomas einfach mal als Zusage hin.
"Solltest vielleicht deinem Onkel wenigstens schreiben, wo du bist, ich hab wenig Lust, daß wir morgen froh n Suchkommando in der Bude steht."

"Ok.", Julian drehte sich zu ihm und griff nach seinem Handy, um seinem Onkel zu schreiben.
"Wir haben morgen unser Frühstück. Er regt sich auf, wenn ich nicht da bin. Ich geh morgen früh raus. Komm dann wieder. Keine Sorge." sein Onkel hatte ihm nicht einmal zum Geburtstag gratuliert heute oder ihm geschrieben. Er war sich recht sicher, dass es ihm auch egal war, wo Julian sich aufhielt. Er sagte aber nichts zu Thomas.
" Ist erledigt.", meinte er. "Es passiert schon nichts.", er lächelte. "Keine Sorge, Mann. Gute Nacht.", er drehte sich wieder weg und schloss die Augen.

"Ich mach mir keine Sorgen um dich, Alter. Du mußt selbst wissen, was du machst. Aber wenn dein Onkel nich Bescheid weiß und der irgendwie rauskriegt, daß ich da mit drinhänge, hat meine Familie den vielleicht am Hals und da hab ich keinen Bock drauf," Thomas machte es sich, so gut es eben ging, auf der Luftmatratze bequem und schlief auch ziemlich schnell ein.

"Ich weiß. Und das möchte ich nicht. Ich bin schnell weg. Ich will euch nicht noch mehr stören.", murmelte Julian. Seine Träume rochen nach Lavendel. Er schlief erstaunlich gut und wachte nur ein paar Mal auf in dieser Nacht, konnte dann direkt wieder einschlafen. Trotzdem war er um 6 Uhr wieder wach. Vorsichtig stieg er aus dem Bett. Er hätte locker auf der Luftmatratze schlafen können.
Er packte leise seine Sachen zusammen und machte das Bett ordentlich, schlich sich dann auf Zehenspitzen ins Bad.

Thomas Mutter war schon früh auf den Beinen, um ein Frühstück zu machen. Sonst schliefen sie Sonntag auch schon mal aus, aber für einen Gast wurde da eben auch schon mal früher aufgestanden. Das hatten sie noch aus ihrer Zeit beim Zirkus mitgernommen, dort wurde auch geteilt, ohne daß man dazu weiter was sagte, dort war es eben so.
Sie stand schon in der Küche, als Julian ins Bad ging und bereitete Brötchen zum Aufbacken vor, summte dabei leise vor sich hin.

Julian hätte nicht gedacht, dass jemand wach war und ihn beschlich der Verdacht dass Thomas Mutter extra für ihn aufgestanden war und das hatte er eben verhindern wollen. Außerdem würde er später mit seinem Onkel noch groß frühstücken.
Er kam lächelnd in die Küche. "Guten Morgen Ma'am. Danke dass ich sontan so hier bleiben durfte. Tut mir leid, wenn ich sie gestern Abend gestört habe."
Sie machte sogar Frühstück. "Sie müssen wirklich nichts für mich machen. Bereiten Sie sich bitte keine Umstände." er sah sie entschuldigend an.

"Ich konnte sowieso nicht mehr wirklich schlafen, also mach dir keinen Kopf. Meinn Mann sägt mal wieder Bäume," lächelte Thomas Mutter und wirklich war aus dem Schlafzimmer lautes und unrhythmisches Schnarchen zu hören.
"Umstände hätte es mir nur gemacht, wenn ich dir ein Drei-Gänge-Menü auf den Tisch stellen müßte, dafür reicht es dann bei uns leider nicht," lachte sie und schob die Brötchen in den Ofen.
"Ich mache solche schicke Essen manchmal für die Leutze, für die ich arbeite und da weiß ich, was da manchmal verlangt wird. Trüffelcremesuppe und Carpacchiuo und all so was ... aber da sind mir Brötchen doch viel lieber," sie werkelte weiter und setzte Kaffee und Teewasser auf, während sie sprach.
"Thomas hat mir noch mal extra gesagt, daß du keinen Kaffee magst, ich weiß, du hattest hier schon mal Tee, aber ich kann mir leider auch nicht alles merken," lächelte sie leicht.

Julian hörchte. Man konnte Thomas Vater wirklich im Nebenzimmer schnarchen hören. Das musste schwer sein zu schlafen bei so einem Lärm. Vor allem weil die Wände hier dünn waren.
Er setzte sich also an den Tisch. "Danke. Wenn Sie Hilfe brauchen, sagen Sie mir bitte Bescheid.", meinte er.
"Ja. Wenn viel Milch und Zucker drin ist, geht das eigentlich." das hatte Thomas erzählt? War doch nur eine Kleinigkeit. "Aber für mich passt eigentlich alles. Gar kein Problem. Wie es für Sie einfacher ist." Julian kannte dieses feine Essen von dem sie sprach. Ein paar Mal war er mit seinem Onkel bei Geschäftsessen gewesen oder so was Ähnlichem.
"Thomas hat mir sein Bett gegeben. Das war sehr nett. Ich habe echt gut geschlafen. Danke." er lächelte höflich.

"Das ist doch völlig normal, wenn er dir sein Bett gibt, Julian. Wenn man Gast ist, soll man das Beste bekommen, was möglich ist und das Bett ist nun mal besser als eine halbkaputte Luftmatratze. Ich wäre sehr enttäuscht von meinem Jungen gewesen, hätte er in seinem Bett geschlafen," sie stellte ein paar Packungen Tee vor Julian hin.
"Du kannst mir helfen, indem du dir aussuchst, welchen Tee du haben willst," lächelte sie und holte eine Teetasse aus dem Schrank und stellte sie ebenfalls vor ihn hin.
"Und Teewasser setze ich sowieso meistens auf, dann habe ich am Vormittag noch eine Tasse nach meinem Kaffee, also ist das kein Problem für uns. Ich hoffe nur, du bist kein strenger Vegetartier oder so etwas, denn diesen Wurstersatz haben wir gerade nicht im Haus."

Julian nickte. Das war nicht völlig normal. Aber es war sehr nett von Thomas und da wollte er nichts weiter zu sagen. Er hätte auch auf der Luftmatratze geschlafen. Vielleicht sollte er nicht so häufig hier übernachten. Die Familie hatte es schon schwer genug ohne dass er noch herkam und ihr Essen wegaß oder Thomas sein Bett nahm, schoss es ihm in den Kopf. Auch das war egoistisch von ihm gewesen. Nur weil er nicht nach Hause fahren wollte.
Julian sah sich die Teeauswahl an und wählte dann einfach English Breakfast. Damit konnte man nichts falsch machen eigentlich.
"Danke. Nein, ich ernähre mich nicht hauptsächlich vegetarisch also ist alles gut. Ich bin sehr zufrieden." Julian hatte drüber nachgedacht weniger Fleisch oder Fisch zu essen. Er war sich nicht sicher ob er ganz drauf verzichten könnte.

"Das ist gut. Ich verstehe die Leute ja, die auf fleisch verzichten wollen wegen der Umwelt oder dem Tierwohl. Aber um da wirklich was zu verändern, müßten sie auch andere Sachen im Leben ändern, weniger Alkohol, keine Holzmöbel, keine großartige Technik, kein eigenes Auto. Aber das vergessen die meisten ganz gerne und reiben uns Fleischfressern untwer die nase, wie wir doch für die Umweltschädigung zuständig sind, dabei sind sie keinen Deut besser," lachte Tjomas Mutter, sie nahm diese Leute nicht allzu ernst, die wollten sich in ihren Augen auch nur wichtig machrn und zeigen, wie umweltbewußt sie doch waren. Oder eben auch nicht.
Als Julian sich seinen Tee ausgesucht hatte, schlurfte Thomas in die Küche und grinste verschlafen, ging dann zu seiner Mutter und drückte ihr einen Kuß auf die Wange.
"Beste Mutter ever," meinte er und gähnte laut.

"Ich meine vegane Produkte sind auch umweltschädigend also Soja und so was. Braucht ultra viel Wasser. Wälder werden abgeholzt dafür. Oder Avocados. Also ich finde halt wenn man alles in Maßen isst, ist das besser vielleicht als zu sagen" ja. Das geht gar nicht, was Sie machen. Am Ende hängt es auch viel mit Firmen und so was zusammen.", meinte Julian.
" Hey. Guten Morgen.", begrüßte er dann Thomas und nickte nur bei dessen Worten. Seine Mutter war wirklich sehr nett.

"Es liegt eben nicht nur am Essen, das vergessen viele. Allein im Internet surfen ist wesentlich umweltschädlicher und es entstehen Tonnen von CO2 täglich, aber darauf wollen die Menschen nicht verzichten," sie deckte den Tisch für vier, sah zwischendurch auch nach den Brötchen.
"Morgen, Mann," grinste Thomas Julian entgegen, auch sein Vater war mittlerweile vom Kaffeegeruch in die Küche gelockt worden.
"Hab ich dich wieder verjagt," lachte er leise in richtung seiner Frau.
"Mittlerweile kennt man das ja schon, immerhin sind wir seit 30 Jahren zusammen," erwiderte sie lächelnd.

Julian nickte. Ja man müsste viel ändern. Aber auch nicht nur einzelne Personen. Sein Vater hatte immer gesagt man müsse institutionell etwas ändern. Julian konnte sich ungefähr denken, was das jetzt hieß.
Julian hielt sich im Familiengeschehen zurück und begrüßte Thomas Vater nur höflich. Er wollte ja eigentlich schon gehen. Aber jetzt waren alle da und da konnte er ja nicht einfach abhauen und dass obwohl es nicht einmal sieben Uhr war. Sicherlich hätten sie alle gerne länger geschlafen am Sonntag.

"Wenn wir gefrühstückt haben, dann fahr ich dich zurück, ansonsten bist du ja erst mittags bei deinem Onkel und der soll sich ja keine Sorgen machen," Thomas Vater nahm sioch eine Tasse Kaffee und setzte sich, während seine Frau die duftenden Brötchen aus dem Ofen holte.
"Hm, frische Käsebrötchen, gibt nix Besserres," Thomas sah aus, als würden all seine Träume wahr werden auf diesem Tisch, auch wenn nur ein wenig Aufschnitt, Butter und ein paar Eier darauf lagen.
"Wir gehen dann am späten Nachmittag ins Krankenhaus, da ist dann nicht mehr so viel Trubel," schlug Thomas vor.

Julian sah Thomas Vater fast flehendlich an. "Das ist sehr jett von Ihnen. Aber wenn ich in einer halben Stunde losfahre, schaffe ich es schon so halb elf dort zu sein. Keine Sorge." es war Sonntag. Deshalb musste man eine Stunde plus einplanen.
"Also genau rechtzeitig. Bitte machen Sie sich keine Umstände. Es ist wirklich gar kein Problem. Mein Onkel weiß auch eh Bescheid."
Julian strich sich etwas Butter auf ein halbes Brötchen. Er wollte nicht so reinhauen.
"Okay. Klar. Kein Problem. Wann es dir am besten passt. Nach vierzehn Uhr habe ich eh Zeit." meinte er schnell zu Thomas Vorschlag. Er belegte seine Brothälfte mich Wurst.

"Wir machen eh einen kurzen Ausflug in die Felder, das ist eh die Richtung. Wird dann eben voll und lustig im Auto. Und auf dem rückweg können wir dich dann gleich wieder einsacken und mitnehmen, das paßt schon," meinte Thomas, der den Blick von Julian genau deuten konnte.
"Sind doch also keine Umstände, wenn wir eh in die Richtung müssen, oder? Ich meine, du kannst natürlich auch mit der bahn fahren, den Ausflug machen wir dann ja trotzdem, das ist schon länger geplant," fügte er hinzu und seine Mutter nickte.
"Wir haben dort einen Hof gefunden, der Geld dafür bezahlt, wenn man bei der Hofarbeit mithilft und das ist immer sonntags, weil viele ja am Samstag noch arbeiten müssen," erklärte sie Julian, während sie sich Kaffee eingoß und ihm den Tee zurechtmachte.

Julian seufzte resigniert und nickte schließlich. Es hatte eh keinen Sinn und wenn sie eh hinfuhren dann wäre es auch bescheuert gewesen nicht mitzufahren. "Danke.", er lächelt dankbar. Dann biss er ein Stück vom Brot ab, nahm die Teetasse nickend entgegen.
Er trank einen Schluck.
"Okay. Verstehe. Wenn Sie Hilfe brauchen, kann ich gerne auch dabei helfen." wenn es eh in der Nähe war. "Aber vielleicht ab nächster Woche.", fügte er hinzu. Er musste erstmal seinen Onkel sehen. Ob er jetzt wollte oder nicht.

"Das mußt du mit den Leutwen bereden, denen dieser Hof gehört, dann wirst du eingeteilt und dein Geld wirs dir dann ausgerechnet, je nachdem, wie viel du schaffst. Manchmal kann man sich auch Obst und Gemüse mitnehmen, wenn das zu viel ist, die Eier hier sind auch von dem Hof," Thomas Mutter wies auf den Tisch.
"Ich will dir nicht zu nahe treten, aber ich weiß nicht, ob es so gut ist, wenn du dort mithilfst, dieser Hof will Leute unterstützen, die sich etwas dazuverdienen wollen und du brauchst das Geld doch eigentlich nicht."

"Oh sorry. Ich habe das falsch verstanden.", sagte Julian schnell. "Natürlich nicht." er wollte niemandem den Job wegnehmen, der ihn viel dringender brauchte. Er hatte gedacht er könnte vielleicht Thomas Familie irgendwie helfen, weil sie immer so nett waren. Aber das nahm auch wieder jemandem den Job weg. Er wollte sich schon demnächst was suchen. Wenn er so schnell wie möglich ausziehen wollte, sollte er sich etwas Geld ansparen. Besser als finanziell abhängig von seinem Onkel zu sein. So lange dieser das über ihn halten konnte, war Julian gezwungen zu machen, was er wollte.
"Es ist alles sehr lecker. Danke.", fügte er schnell hinzu und nahm sich ein Ei.