Die Verblendung

"Ich kann Ihnen da nichts vorschlagen, dafür bin ich zu wenig in diesem Fachgebiet bewandert. Natürlich kann niemand sie beide zwingen, mehr Zeit miteinander zu verbringen, wenn sie dies nicht wirklich wollen. Allerdings könnten einige Gespräche schon viel helfen, sie müssen sich scheinbar erst einmal wirklich kennen lernen. Vielleicht finden sie beide sogar etwas, was sie beide interessiert und darauf kann man dann aufbauen. Familientherapie ist doch nur etwas Trockenes, was nicht oft in der Praxis funktioniert. Wenn man schon Interesse an den Dingen zeigt, die er andere macht, ist schon ein erster Schritt getan. Und ich denke, daß Julian sicher noch mehr Interessen hat als die Sache der Jäger. Vielleicht sollten sie dort anfangen, Hobbys vergleichen, Orte aufsuchen, wo sie beide gerne sind, Veranstaltungen ansehen, die sie beide mögen, so was eben. Dinge, die sie beide fühlen ... nur so funktioniert ein TZusammenleben, da ist es egal, wie alt der andere ist," Cassidy machte dieses Verhalten der beiden nicht unbedingt am Alter von Julian fest, vielmehr sah es hier drinnen auch so aus, als wollte sein Onkel gar keine wirkliche Gesellschaft, da es hier wenig Einladendes gab. Und waghrscheinlich hatte dies auch schon auf das Wesen des Hausherren abgefärbt.

Herbert seufzte. "Ich schätze es ist an der Zeit etwas Arbeit an meinen Assistenten abzuwälzen."
Julian wusste nicht, was er davon halten sollte mehr Zeit mit Herbert zu verbringen. Immer wenn sie das taten endete es mit einem Streit oder damit dass Julian einfach abhauen wollte. Ihm war es lieber alleine oder woanders zu sein. Aber wenn das so wichtig war, würde er es zumindest versuchen.
"Meinetwegen ist das okay.", sagte er deshalb. "Wann du willst. Ich bin eh immer Abends da." er sah zu Herbert.
"Sicherlich freut sich sein Assistent dann auf ne Gehaltserhöhung. Wenn er noch mehr machen muss." Sein Onkel sah ihn ernst an und schüttelte den Kopf. "Das kriegen wir schon geregelt. Lass das meine Sorge sein." Julian unterdrückte ein Augenrollen. War ja nicht seine Sache. "Ok.", sagte er nur.

"Ich schreibe Ihnen das natürlich nicht vor letztendlich ist es Ihre sache, was Sie tun und was nicht. Aber es geht bei der Sache nicht um die angelegenheiten der Jäger, einem Vampir ist es ziemlich egal, ob sie beide sich verstehen oder nicht. Im Falle eines Blutrausches zählt dann nur der Mensch als Nahrungsquelle. Mir ist es nur wichtig, daß ich so wenig wie möglich irgendwelche Hindernisse aus dem Weg räumen muß, so daß Julian Gefahr läuft, den anschluß an die anderen drei zu verlieren. Uns wurde kein Zeitlimit gesetzt, aber Nora will das alles zum Wohle der Menschen hinter sich bringen und das nicht erst in zwanzig Jahren. Das Ganze soll ein Ende finden, so sehe ich das auch," meinte Cassidy.
"Dann wäre meine Aufgabe hier geklärt, außer es sind noch Fragen offen ..."

Julian wurde augenblicklich wieder ernst. Das war nicht der Moment um seinem Onkel eins reinzuwürgen, auch wenn er manchmal das Bedürfnis hatte. Es ging um seine zukünftige Arbeit als Jäger und darum Menschen zu retten. Er nickte. "Verstanden. Wann fangen wir an, Cass?", fragte er. Er wollte wissen, wann die erste Sitzung war, damit er sich mental darauf vorbereiten konnte.

"Ich werde mich am Montag mit meinem Psdychologen in Verbindung setzen, damit er dir einen Termib suchen kann. Das kann allerdings ein Weilchen dauern, da er ständig ausgebucht ist. Deswegen wirst du solange Einzeltraining bei eurer Trainerin bekommen, ich werde ihr morgen Bescheid geben. Die Trainingstage werden so bleiben wie bisher. Du solltest mir allerdings noch sagen, ab wann du jeden Tag die Zeit erübrigen kannst, dir frei zu nehmen, da ich nicht garantieren kann, daß wir mit dem Ganzen hier einen gleichmäßigen Rhythmus einhalten können. An den Wochenenden werde ich dich nur selten auffordern zu kommen, denn ein paar freie Tage sind wichtig für dich," Cassidy wollte sich nicht zu sehr in den Tagesplan von Julian einmischen, dieser war immerhin noch ein Jugendlicher und brauchte Zeit für andere Dinge.

"Kein Problem." er mochte die Vorstellung zwar nicht, dass er alleine mit der Trainerin trainieren musste, weil er die Frau noch immer gruselig fand, aber es war auch eine Chance Einzeltraining zu bekommen.
"Danke dass Sie das organisieren, dass Sie den Therapeuten kennen, beruhigt mich ein bisschen. Ich habe an den Wochenden momentan eigentlich Zeit. Und in der Woche nach 18 Uhr. Außer Mittwochs, da habe ich schon um 16 Uhr Schluss.", meinte Julian. Mit seinem ganzen Sport Aktivitäten blieb unter der Woche nur noch wenig Zeit. Momentan war er noch nicht gut genug für Wettkämpfe, aber vielleicht würden sich dann auch die Wochenden füllen.

"Gut, ich werde mich danach richten. Gut, dann will ich nicht weiter stören, immerhinist es Wochenende und auch ich habe noch eine Menge zu erledigen," Cassidy verabschiedete sich von den beiden und rief den Taxiservice an, damit sie wieder in die Innenstadt fahren konnte.
Ihr Beruf ließ ihr nur wenig Zeit, ihr Privatleben schon gar nicht und nun hatte sie auch noch einen Neuling einzuweisen. Ruhe kannte diese Frau nicht.

Cassidy war weg, ehe sie da war. Das Gespräch hatte nicht mal 10 Minuten gedauert. Julian und sein Onkel saßen sich hingegen Ewigkeiten schweigend gegenüber.
"Therapie, hmm. Ist das denn okay für dich?", fragte sein Onkel nach einiger Zeit.
"Wenn es notwendig ist, dann ist es okay.", meinte Julian. Er war entschlossen genug sich zu ändern und er wollte seine Probleme in den Griff kriegen. Auch mit Herbert.
Dieser nickte. "In Ordnung... Wie wäre es, wenn wir morgen zum Frühstück mal in die Stadt fahren?", fragte er Julian. Julian zuckte mit den Schultern. "Okay. Wenn du meinst. Ich meine... Danke !", er gab sich Mühe mit einem Lächeln. Sie mussten es beide versuchen.

Cassidy hatte den Tag noch voll zu tun, sie schrieb gleich drei Nachrichten und schickte sie ab, als sie in ihrem Büro ankam. Eine an Mora, damit diese Besvheid wußte, daß Julian weiterhin dabei war, eine an die Trainerin, damit diese am Montag das Einzeltraining übernehmen lkonnte und eine an den Psychologen, denn sie war sich sicher, daß dieser am Montag zuerst seine Nachrichten durchsehen würde, wenn er zur Arbeit kam.
Und damit wäre sie schneller, als wenn sie an dem Tag erst bei ihm vorbeifahren würde, zumal das vor Nachmittag nicht gemacht werden konnte, da sie sich auf ihre Fälle konzentrieren mußte.

Es war unangenehm, aber Julian zwang sich den Sonntag mit seinem Onkel zu verbringen. Die meiste Zeit über schwiegen sie sich an. Die andere Zeit über führten sie gezwungenen Smalltalk. Julian hatte das Gefühl er und sein Onkel hatten nicht sonderlich viel gemeinen. Dessen Leben bestand aus lauter Arbeit und Julians Lebens bestand aus Sport ohne Ende und dafür konnte sich sein Onkel nicht begeistern. Sie einigten sich aber darauf gemeinsam Squash spielen zu gehen, was Julian unglaublich posh fand, allerdings wollte seinem Onkel einen Gefallen tun und Julian musste sich eingestehen, dass es doch schwerer war, als er gedacht hatte. Er wurde anfänglich ziemlich abgezogen, bis er alles verstand. Aber als er den Bogen raushatte, machte es doch Spaß. Sie nahmen sich vor des öfteren zu spielen.
Am Montag stand Julian ganz alleine in der Trainingshalle. Ee wünschte die anderen wären auch hier, aber die machten wohl ihr Spezialtraining.

"Wie ich sehe, sind Sie pünktlich. Das zeigt, daß Sie das ganze hier doch ernster nehmen alsbisher zu sehen war," die Trainerin stand ihm gegenüber und musterte ihn kurz.
"Ihr heutiges Training wird daraus bestehen, Ihr körperliches und geistiges Durchhaltevermögen zu steigern, Ungeduld in den Griff zu bekommen und die vollständige Kontrolle über Ihre Bewegungen zu erlernen," mit diesen Wortenzeigte sie auf einen Stapel Bücher, der auf einem Hocker lag.
"Nehmen Sie sich ein buch davon und legen Sie es sich auf den Kopf. Wenn es Ihrer Meinung nach richtig liegt, gehen Sie mit diesem Buch eine Runde durch den Raum hier, ohne daß dieses Buxch zu Boden fällt. Jegliches Festhalten ist untersagt."

Julian nickte. Er hinterfragte auch nicht mal mehr wirklich, was jetzt der Sinn von diesen Übungen war oder wie sie dabei helfen sollten. Er tat einfach nur, was ihm aufgetragen wurde. Er nahm sich ein Buch aus der Kiste. Das erste, was er greifen konnte und versuchte es vorsichtig auf seinem Kopf zu balancieren. Als er das Gefühl hatte, es würde halten, ging er los. Aber er ging wohl etwas zu schnell, deshalb fiel das Buch auf halber Strecke. Julian unterdrückte ein Fluchen und ging auf Anfang.

Ein fast sanftes Lächeln umspielte die Lippen der Trainerin, als das Buch zu Boden fiel. "Da wir hier alleine sind, haben Sie Zeit genug, dies zu wiederholen. Entscheidend ist dabei Ihre Körperhaltung, wer so nachlässig mit seiner Körperspannung umgeht wie Sie es tun, der muß sich nicht wundern, warum er hier so schlechte Ergebnisse erzielt. Wie wollen Sie jemandem gegenübertreten, um ihn aufzuhalten, wenn Ihre Körperspannung der eines gekochten Spargels gleicht," fragte sie ihn, während er es erneut versuchte.

"Okay."
Julian richtete sich auf. Er dachte an Cassidys Worte. Haltung war wichtig. Er rollte die Schultern zurück und zog dem Bauch ein. Er wusste selbst nicht, warum er sich immer so klein machte. Nein eigentlich war das, weil er nicht wollte, dass andere Leute ihn sahen oder auf ihn aufmerksam wurden. Oder weil er fand, dass er zu groß, schlacksig und spagelig aussah, machte er sich lieber klein. Aber das stimmte gar nicht wirklich. Er legte sich erneut vorsichtig das Buch auf den Kopf und versuchte sehr langsam und bedachter zu gehen und die gleiche Spannung zu halten, die er auch beim Sport hielt. Er stellte sich vor, jemand würde ihn hochziehen. Sicher sah das unglaublich steif aus, aber er schaffte eine Runde.

"Sie werden das noch drei Runden machen. Jede Runde, wo Ihnen das Buch herunterfällt, zählt nicht. Wenn Sie die drei Runden geschafft haben, dann werden Sie den Raum noch einmal drei mal umrunden, allerdings dann rückwärts," kommandierte die Frau ihn weiter, ohne sich anmerken zu lassen, ob das, was sie sah, nun austreichte oder nicht.
"Danach noch einmal drei Runden seitwärts, auch hier gilt das Prinzip, daß wenn das Buch fällt, die Runde nicht zählt."

"Jawohl, Ma'aml!",rief Julian. Er bemühte sich zwischen den Runden die Spannung nicht zu verlieren. Trotzdem musste er öfter wiederholen, als ihm lieb war und er versuchte nicht zu ungeduldig oder genervt oder frustriert zu werden. Darum ging es hier ja. Das würde nur dazu führen, dass er mehr Fehler machte und noch länger brauchte. Irgendwann hatte er es allerdings nach etlichen Versuchen geschafft. Es wsr erstaunlich anstrengend die ganze Zeit so aufrecht zu gehen.

"Na endlich, das hat länger gedauert als gedacht. Aber gut, den nächsten Teil schaffen wir auch noch," meinte die Trainerin nachdem sie auf ihre Uhr gesehen hatte. "Sie haben damit fast eine Stunde vertan, Sie sollten in Zukunft ernsthaft an Ihrer Körperhaltung arbeiten. Wenn sie jemandem so zusammengefallen gegenüberstehen, wird derjenige Sie sicher nicht sonderlich ernst nehmen," sie wies wieder auf die Bücher.
"Nehmen Sie jetzt noch ein Buch und stellen Sie sich gerade hin, nehmen in jede Hand ein Buch und strecken die arme zu beiden Seiten aus. Sie werden das solange halten, bis ich zufrieden bin, lassen Sie eines der Bücher fallen, verlängert sich die Zeit nur. Und halten Sie die Bücher nur zwischen den Fingern, Die Handflächen werden davon nicht berührt."

Julian nickte erneut. "Ja, Ma'am.", sagte er mit fester Stimme. Er würde nicht noch einmal den Fehler machen ihr nicht zu antworten. Er nahm sich vor mehr auf seine Haltung zu achten insgesamt. Es war ihm ein wenig peinlich sogar.
Er nahm sich ein anderes Buch und klemmt jeweils ein Buch zwischen seine Finger. Das erschwerte es schon sienzu halten und er musste sie richtig ausbalancieren. Erneut richtete er sich auf und streckte die Arme von sich und hielt, wie sie es ihm gesagt hatte.

"Ihnen werden recht schnell die Arme schwer werden, doch Sie werden es durchstehen. Wie Sie es schaffen, ist mir gleich, aber ich will nicht sehen, daß ein Arm wackelt oder Sie die Bücher fallen lassen. Und die Bücher bleben waagerecht, ich will nicht sehen, daß sie nach unten kippen," kam die nächste anweisung der Trainerin, sie wußte, daß diese Übung alles andere als leicht war, aber nur so kam sie ans Ziel.

Julian biss die Hähne zusammen und hielt seine Arme oben und fest. Durch unzählige Stunden von Training hatte er ziemlich starke Arme inzwischen. Trotzdem wurden die nach mehreren Minuten immer schwerer. Aber er hielt stand und hielt sie gerade von sich gestreckt und waagerecht.

"Es ist gut, daß wir noch ein paar Jahre Zeit haben, bis Sie volljährig sind, Ihre Körperspannung ist absolut indiskutabel. Wüßte ich es nicht besser, hätte ich befürchtet, daß Sora einen schlechtzen Job gemacht hat, aber da ich meine eigenen Erfahrungen mit seinem Training gemacht haber und die drei anderen als Vergleich habe, liegt es wohl an Ihnen allein. Ihre Mentorin wird es nicht leicht mit Ihnen haben," meinte Dioe Trainerin nach einer Weile seufzend.
"Legen sie die Bücher wieder zurück, das Training ist für heute beendet," meinte sie dann nach einer Weile.

Julian ließ die Bücher sinken und unterdrückte einen Seufzer. Diese Blöße wollte er sich wirklich nicht geben vor der Trainerin. Auch gab er sich Mühe nicht wieder komplett in sich zusammenzusacken. Wenn er es nicht schaffte, seine Leistungen zu verbessern, dann konnte er gleich einpacken. Er räumte ordentlich die Bücher wieder weg.
"Danke.", meinte er zu der Trainerin. Klar war es nicht schön zu hören, dass man schlecht war. Aber das war auch eine Motivation besser zu werden.
"Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.", meinte er und verabschiedete sich von ihr. Erst als sie weit weg war, entspannte er sich wieder ein wenig und ließ die Schultern kreisen, richtete sich dann aber wieder auf. Daran musste er sich unbedingt gewöhnen.

Die Trainerin nickte nur ohne ein weiteres wort zu sagen und verloeß den Raum mit den Büchern.
Kurz nachdem sie gegangen war, knackte es an der Decke in einer Ecke des Raumes und einer der schon bekannten kleinen Lautsprecher kam zum Vorschein.
Die stimme der Frau von der Rezeption erklang und forderte Julian auf, sich umgehend bei ihr zu melden.

Julian war gerade dabei sich umzuziehen. Er hatte nicht erwartet, dass noch was kam.
Also beeilte er sich zur Rezeption zu kommen. Es war ihm nicht gerade angenehm, dass er so öffentlich gerufen wurde.
"Sie hatten mich hier herbestellt?," fragte er.

Die Frau an der anemdlung nickte Julian freundlich zu, als dieser zu ihr kam.
"Ja, ich soll dir ausrichten, daß du so schnell es geht in den ersten stock gehen sollst. Nora erwartet dich in ihrem Büro, sie hat etwas mit dir zu bereden, glaube ich. Sie klang so, als wäre es wichtig, also würde ich mich an deiner Stelle beeilen," lächelte sie ihn an und beschrieb ihm den Weg dorthin.