Die Verblendung

"Ich hab nix von vorgaukeln gesagt, Sir. Ich hab nur gesagt, daß Sie sich für den Jungen und das, was er macht, interessieren sollten, wenn Sie n besseres Verhältnis haben wollen. Aber scheint bei Ihnen eh zu spät zu sein, da will ich mich auch nicht weiter einmischen," winkte Kim ab, Familie war nicht so seines in dem Sinne.
"Und so wie es mir aussieht, wissen Sie genau so wenig, wie es ist, Kinder zu haben," lächelte er dann amüsiert. "Also werfen Sie mir nicht etwas vor, was Sie selbst nicht auf die Reihe kriegen."

"Ich versuchs. Warum kann er sich nicht für die Dinge interessieren für die ich mich interessiere. Lektüre zum Beispiel." er zeigte auf den Bücherstapel.
"Na ja. Vielleicht versuche ich mich zumindest ein wenig zu begeistern. Aber Sport ist nicht so mein Ding. Besonders zuschauen. Ich kann mir nichts langweiligeres und perfideres vorstellen. Und glauben Sie mir ich bin da reingestolpert und aufs Maul gefallen. Und da kommen Leute wie Nora natürlich gut. Wahrscheinlich war sie mehr ein Familienersatz für Julian als ich. "

"Oh, die Frage könnte man auch andersrum stellen, warum können Sie sich nicht für sein Leben interessieren? Gibt nun mal Leute, die nicht gerne lesen, wär doch öde, wenn wir alle das Gleiche mögen würden, oder," fragte Kim Herbert, die Welt sähe dann doch sehr einseitig aus.
"Sie machen Julian aber auvh nur auf die eine Sache fest, ich glaub nicht, daß es das Einzige ist, was ihn interessiert. Sie sollten ihn vielleicht echt mal kennenlernen, bevor Sie ihn so einstufen. Allerdings, wenn er wirklich nur Sport mag und absolut nix anderes, dann ist er auch zu bedauern, so kommt er im Leben nicht weit," und mit nur einer Interesse wäre für Kim das Leben auch ziemlich verschwendet und nicht lebenswert.
"Bringt auch nix, wenn Sie sich deswegen selbst bemitleiden, das macht es doch auch nicht besser."

"Ich weiß nicht für was er sich sonst interessiert. Frauen und Mädchen? Jedenfalls schaut er diesem Mädchen immer so verliebt hierher, Claire. Und dieser Tochter von Nora. Aber damit kann ich ebenfalls nicht dienen. Und sonst.. Ich weiß es nicht. Schwarze Kleidung und Tatoos und Musik die ich absolut grauenvoll finde. Kennen Sie das? Trapmusik, heißt das." Herbert verstand absolut nichts von Jugendkultur. Und das interessierte ihn auch nicht.
" Sonst scrollen sie immer auf ihren Telefonen herum und schauen irgendwelche Videos."

"Wenn Sie nicht wissen, für was er sich sonst interessiert, warum fragen Sie ihn nicht einfach? Da wirds sicher n paar Dinge geben, immerhin besteht die Welt ja nicht nur aus Sport und Schmökern, da wird sich sicher auch noch was anderes finden," seufzte Kim, die beiden waren doch schwierig.
"Aber so wie Sie klingen, werden Sie mit ihm wohl nicht auf nen Nenner kommen, wenn man sich von vornherein schon so gegen alles sperrt, dann kann das ja nichts werden," Kim schüttelte resigniert den Kopf, das brachte wohl nicht wirklich was.

"Nun gut. Ich frage ihn. Wir wuppen das schon." Herbert fand selbst keine Überzeugung da. Er hatte es schon versucht und sicherlich war es zwischen ihm und Julian besser geworden. Schließlich hatten sie sich von gegenseitiger Abneigung hin zu stillem koexistieren entwickelt. Aber er hatte feststellen müssen, dass er für Julian keine Vertrauensperson war. Der Junge behielt lieber alles für sich selbst. Oder vielleicht sprach er ja mit seinen Freunden. Aber hier hatte er ja auch keine.
"Tut mir leid. Sie müssen sich das nicht anhören. Das sind Familienprobleme. Danke fürs Essen." Herbert nickte ihm zu.

Julian trainierte mit Nieve. Schwimmen konnte die Hündin schon gut, deshalb musste er nicht einmal mehr ins Wasser gehen. Er trainierte sie gerade auf Kommando zurückzukommen auch wenn sie weiter weg war, währenddessen ließ er die Umgebung auf sich wirken, versuchte alle Details aufzunehmen.
Manchmal fühlte er sich ziellos. Was machte er hier überhaupt? Er wusste das Leben in London ging einfach ohne ihn weiter. Genauso seine Freunde die jetzt wahrscheinlich dachten er sei ein Verräter. Aber am Ende war es so vielleicht alles besser. Immerhin ging es Herbert gut und immerhin musste er Claire so nicht als Feind gegenüber stehen. Das hätte er nicht ausgehalten. Genausowenig wie die Vampire hier umzubringen.

Kim war alles andere davon überzeugt, daß das zwischen den beiden noch irgendwie funktionieren würde, aber er hatte sich da auch nicht reinzuhängen.
"Ja, ich muß dann wieder," meinte er freundlich lächelnd und machte sich wieder auf den Rückweg.

Julian lachte als Nieve ihn mit Wasser bespritzte, da sie sich nass schüttelte. "Hey Hör auf!" rief er noch immer lachend. Dann drückte er die Hündin aber an sich. Machte eh keinen Unterschied mehr. Sie schleckte ihm übers Gesicht. Gemeinsam machten sie sich auf den Rückweg. Julian hatte noch nichts gegessen und er wollte nach den Kräutern sehen.

Der Sommer kam immer näher und das merkten auch die Tiere und anderen Geschöpfe des Waldes. Die Jäger des Grafen hatten bessere Beute als noch im Winter und die Tiere waren auch genährter als zuvor.
Nieve wurde des Öfteren mal von einem Waldwesen weggescheucht, wenn sie ihr Geschäft an bestimmten Bäumen machen wollte, oft wurde sie dann mit weichen Erdklumpen beworfen, die aus allen Richtungen zu kommen schienen.

Als Julian Nieve so weit hatte, wie es notwendig war, meldete er sich wieder bei der Wache, die dem Jäger Bescheid sagen sollte. War noch ein ganzes Stück gewachsen, aber sie war aufmerksam und gefügig, wenn Julian das wollte. Er hatte aber nicht nur
Nieve sondern sich selbst trainiert konnte man sagen, falla der Jäger ihn auch nochmal testen wollte, wollte er nicht schon wieder einfach versagen.

Der gleiche Jäger wie zuvor wurde verständigt und vereinbarte einen Termin nur einen tag später mit Julian. Er holte ihn erneut bei der Hütte ab und hatte auch einen weiteren Hund mit dabei, der aber eher so aussah wie ein etwas zu groß geratenes Windspiel. Die Augen des Tieres glühten in einem unheimlichen Rotton und er beschnupperte Nieve so, als ob sie das nächste Leckerli darstellen sollte, bis der Mann ihn zurückpfiff und der Hund fast so schnell gehorchte, als hätte er den Pfiff schon vorausgeahnt.

Julian gefiel der andere Hund gar nicht. Er schien ein Vampirhund zu sein oder so. Erinnerte ihn aber doch ein wenig an Amun und Anubis.
Nieve war so trainiert, dass sie nichts tat, außer Julian gab ihr das Zeichen. So ließ sie den anderen Hund gewähren, aber er konnte spüren, dass sie Angst hatte. Der andere Hund war eben nicht ganz ein Hund.

"Gehen wir," meinte der Mann und machte sich auf den Weg zum See. Das Windspiel war kaum zu hören beim Laufen, selbst auf altem Laub trat er fast geräuschlos auf. Da er auch absoluut nach nichts roch, war er so im Notfall für ihn unauffindbar. Allerdings hätte in der Not auvh ein Bär keine Chancw gegen ihn, auch wenn der Hund sehr zerbrechlich wirkte.
Auch schnüffelte er nirgends, sondern strebte den See an, als wüßte er genau, daß es dort hinging.

Julian gab Nieve, dass es zum See ging. Sie kannte die Strecke ja sowieso schon. Aber sie preschte trotzdem nicht voran, sondern lief Beifuß bei Julian, der mit bestimmten Schritt dem Jäger folgte. Hierfür hatten sie schließlich lange genug trainiert. Sie würden es hinkriegen. Sie mussten es hinkriegen. Sie kamen vor dem See zum Stehen.

Der See war dieses Mal recht gut bevölkert mit Enten, die teils träge, teils nach Futter suchend im Wasser vor sich hin trudelten. Die Ohren des Windspiels zuckten leicht, als er aufmerksam auf die Vögel sah.
"Dafür wird deine Hündin gebraucht, für die Jagd auf vierbeiniges Wild eignet sie sich nicht, aber dafür wurde sie auch nicht gezüchtet," erklärte der Jäger Julian.

Julian nickte. Das hatte er ja auch gewusst. Hatte der Jäger und andere ihm auch mehrmals gesagt, dass Nieve fürs Entenjagen war und nichts anderes. Und das würde sie hoffentlich zu ihrer eigenen Sicherheit auch gut tun. Diese Hunde des Grafen waren gruselig. Als wäre seind Hund ihr Futter. Das gefiel Julian ganz und gar nicht. Aber er durfte sich auch keine Unruhe anmerken lassen. Das wäre nicht förderlich gewesen.

"Gut, wir werden dann ausprobieren, wie sich dein Hund macht," der Jäger holte ein kleines Tuch heraus und eine Flasche, die er öffnete und ein paar Tropfen des Inhalts auf das Tuch gab. Ein metallischer Geruch kam von dem Roten Fleck.
"Frisches Tierblut. Das ist der nächste Schritt, damit muß dein Hund lernen, umzugehen. Kommt auf ihr Temperament an, sie darf sich davon nicht sehr beeinflussen lassen, damit sie die Beute auch unbeschadet zu uns bringt," meinte der Mann weiter.
"Wird sicher das erste Mal sein, daß sie Blut riecht," er sah zu dem Pudel.

Nieve schnupperte neugierig an dem Tuch. Julian konnte kaum etwas riechen aber Nieve schien da genaz zu spüren, was das war. Nachdem sie gründlich alles beschnuppert hatte, bellte sie kurz und sah sich neugierig um. Dann blickte sie zu Julian. Julian schüttelte den Kopf und bedeutete ihr neben ihm Platz zu nehmen, was sie auch tat, auch wenn sie sich weiterhin neugierig umsah.

"Scheint, als würde sie das Blut nicht weiter stören, nun das ist nicht das, womit ich gerechnet habe, aber gut," meinte der Jäger und sah etzwas zweifelnd zu dem Hund. "Könnte evebtuell doch nicht so gut zu gebrauchen sein wie erhofft," ein leises Knurren des Jagdhundes ertönte, als er zu der Hündin sah, ganz so, als säße sie auf dem Präsentierteller.

"Was soll das heißen?", fragte Julian. "Habe ich etwas falsch gemacht?", er sah den Jäger offen an. Er hatte alles getan, was man von ihm verlangt hatte. Er hoffte nicht, dass sie irgendetwas mit Nieve machen würden, was ihr schaden könnte. Er hatte genau den Blick des Hundes des Grafen gesehen.

"Ein Jagdhund sollte auch einen Jagdinstinkt haben und den hat dein Hund gerade nicht wirklich gezeigt. gegen diese Jagdinstinkte kannst du sie noch nicht geshult haben, da du sicher nicht mit Blut gearbeitet hast. Aber sie hat sich nicht von dem Geruch beeindrucken lassen, also scheint dieser Instinkt nicht wirklich ausgeprägt bei ihr zu sein. Bedauerlich," meinte der Jäger seufzend.
"Da kannst du auch nichts gegen machen, Instinkt ist Instinkt, entweder man hat ihn oder nicht. Ist bei anderen Tieren und Wesen genau so."

"Nein. Habe ich nicht. Und was jetzt?", fragte Julian den Jäger. "Heißt das die ganze Arbeit war umsonst?" Er riss sich zusammen. Er wollte nicht dass sie Nieve etwas antaten. Sie war ein wirklich treuer und lieber Hund und ihm viel zu sehr ans Herz gewachsen.

"Keine Arbeit ist umsonst, junger Mann. Im Leben gibt es nun mal Fortschritte und Rückschläge, aus beiden lernt man das ein oder andere," winkte der Jäger ab.
"Nicht jeder Hund ist dafür gemacht, zu jagen. Das kann man vorher nie wissen, wie sich so ein Tier entwickelt. Es gibt immer Welpen in einem Wurf, die eher als Vorzeigehündchen feiner Leute dienen können. Scheint ganz so, als gehört dieser Hund auch dazu."

Julian seufzte. Er hatte die letzten Monate damit verbracht. "Okay. Sie haben Recht." Er sah zu seinem kleinen Hund und beugte sich um sie zu streicheln.
"Aber bitte tun Sie Nieve nichts an. Sie kann ja nichts dafür, oder? Wenn Sie jemanden bestrafen müssen, dann meinetwegen mich." Er legte seinen Arm schützend um Nieve. Der Jäger hatte ihnen beim letzten Mal schon gedroht.

"Warum sollte ich dich bestrafen, das wäre eine ziemlich sinnlose Sache, oder," meinte der Jäger. "Ob dein Hund bestraft wird, hängt von der Entscheidung des Grafen ab. Es kommt darauf an, ob er irgend eine Verwendung für sie hat hier oben. Er braucht keinen Schoßhund, so viel ist sicher," der Jäger sah ungerührt zu Julian.
"Und bevor du fragst, nein, ich werde nicht versuchen, den Grafen von irgendwas zu überzeugen. Ich mache auch nur, was mir gesagt wird."